Neurowissenschaften, Ethik & Recht

BGH: Keine betreuungsrechtliche Rechtsgrundlage für Zwangsbehandlungen

Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen nun auch betreuungsrechtliche Zwangsbehandlungen auf Grundlage der §§ 1904, 1906 BGB für unzulässig erklärt. Damit ist eine Zwangsbehandlung derzeit nur noch auf der sog. “öffentlich-rechtlichen” Schiene möglich, etwa nach den in den Bundesländern unterschiedlich ausgestalteten PsychKGs.

Ob die Entscheidung allerdings langfristig ein “Meilenstein gegen die Zwangspsychiatrie” darstellt, wie (einige) Psychiatriebetroffene hoffen, wird sich erst noch erweisen müssen. Denn der BGH  verneint (wie schon das BVerfG) keineswegs die grundsätzliche grundgesetzkonforme Möglichkeit derartiger Eingriffe, sondern hält lediglich die bestehende Rechtsgrundlage für nicht mit den Vorgaben des BVerfG vereinbar. Das Betreuungsrecht müsse eindeutigere Vorgaben treffen, insbesondere hinsichtlich der Art und Dauer der Medikamentierung, einer unabhängigen Prüfungsinstanz und der Dokumentation der Behandlung. Der BGH räumt ausdrücklich ein, dass die nun eingetretene Rechtslage nicht im Sinne der Betroffenen ist.

So ist davon auszugehen, dass sich der Bundestag des Themas annehmen und neue Vorschriften erlassen wird. Dabei dürfte dann auch die seit einigen Jahren durch einen BGH Beschluss untersagte ambulante Zwangsbehandlung erörtert werden. Sie könnte eine “minder schwere Maßnahme” im Vergleich zur stationären Zwangsbehandlung darstellen und somit vom Gesetzgeber zugelassen werden.

Das Thema ist folglich alles andere als geklärt, und es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber der psychischen Selbstbestimmung ausreichend Gewicht einräumt.

Links:

BGH XII ZB 99/12

BGH XII ZB 130/12

Kommentar in der SZ

Stellungnahme der DGPPN

 

  • Die von Ihnen erwähnte “sog. “öffentlich-rechtlichen” Schiene” ist aber auch durch die Leitsatzentscheidung des BVerfG von 2011 hinfällig.
    Siehe:
    “”Kriminelle in weißen Kitteln””
    http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2011/04/18/a0033&cHash=721e8db0b2/
    Zitat:
    taz:
    “Gilt das Urteil denn bundesweit?
    Anwalt David Schneider-Addae-Mensah:
    Formal wurde zwar nur das Mainzer Gesetz beanstandet, aber die Regelungen der Zwangsbehandlung sind in allen Bundesländern ähnlich. Die Karlsruher Anforderungen sind nirgends erfüllt. Deshalb dürfen jetzt Betroffene in ganz Deutschland nicht mehr gegen ihren Willen gespritzt werden. Es wäre schikanös zu verlangen, dass erst gegen jedes Landesgesetz Verfassungsklage erhoben werden muss.”
    Und hier:
    “Anmerkung zum „Zwangsbehandlungsbeschluß“
    des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.2011 – 2 BvR 882/09 –
    Von Rechtsanwalt Dr. David Schneider-Addae-Mensah, Karlsruhe/Strasbourg”
    http://www.die-bpe.de/Kommentar_SAM.html
    Zitat:
    “Verboten ist eine Zwangsbehandlung demnach, wenn diese „mehr als mit einem vernachlässigbarem Restrisiko irreversibler Gesundheitsschäden verbunden ist“.23 Dem ist zwar zuzustimmen. Wie oben beschrieben und auch durch das Verfassungsgericht anerkannt,24 besteht bei der Medikamentierung mit Psychopharmaka, die „auf die Veränderung seelischer Abläufe gerichtet“25 sind, aber stets ein Risiko erheblicher Gesundheitsschäden durch Nebenwirkungen. Konsequent wäre es daher gewesen, die Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka aus Verhältnismäßigkeitsgründen generell für verfassungswidrig zu erklären.”

    “ambulante Zwangsbehandlung erörtert werden. Sie könnte eine “minder schwere Maßnahme” im Vergleich zur stationären Zwangsbehandlung darstellen und somit vom Gesetzgeber zugelassen werden.”

    Das Gegenteil ist der Fall. Die ambulante Zwangsbehanlung wurde als der schwerere und verfassungswidrige Eingriff, weil in die Privatsphäre der Betroffnenen eingreifend, erkannt und deshalb zum Glück der Betroffenen verworfen. Dass Sie auf diesen Gedanken kommen, sie könne eine “minder schwere Maßnahme” darstellen, lässt, Sie verzeihen, tief blicken.

    Mehr dazu:
    “Kein ambulante Zwangsbehandlung”
    “Keine ambulante Zwangsbehandlung”
    http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2005/06/22/a0292
    Und:
    Zur ambulanten Zwangsbehandlung – eine Chronik
    http://www.die-bpe.de/cdu_demo.htm

    “psychischen Selbstbestimmung”
    Was soll denn das bitte sein???

  • Herr Lachs,
    danke für Ihren Beitrag. Soweit ich die rechtliche Lage überschaue, ist er jedoch nicht richtig.

    1. Das BVerfG hat Zwangsbehandlungen nach dem Rheinland-Pfälzischen MaßregelvollzugsGesetz für verfassungswidrig erklärt, nicht aber solche nach den PsychKGs der Bundesländer, die, wie gesagt, unterschiedlich ausgestaltet sind. Inwieweit sie den Anforderungen des BVerfG genügen, ist also noch zu klären (die meisten dürften den Anforderungen nicht genügen).

    2. Das BVerfG hält eben gerade nicht jede psychiatrische Zwangsbehandlung für grundsätzlich unzulässig. Über die Unklarheiten und Probleme, die sich aus der Entschiedung ergeben, habe ich einen Aufsatz publiziert, den sie hier nachlesen können.
    http://zis-online.com/dat/artikel/2011_8-9_606.pdf

    3. Die ambulante Zwangsbehandlung ist derzeit auf Grund einer BGH Entscheidung untersagt. Der BGH konnte in einer ambulanten Zwangsbehandlung, wie sie richtig sagen, keine “mindere Maßnahme” erblicken, sondern, wie Juristen sagen ein aliud, etwas anderes. Dafür gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage. Dennoch gab es immer wieder Bestebungen, eine solche Rechtsgrundlage einzuführen. Meine Vermutung ist daher, dass wenn sich der Bundestag des Themas annimmt, auch diese Frage auf den Tisch kommen wird.
    Und, wenn Sie meinen, deswegen etwas über meine “Gesinnung” aussagen zu können, lassen sie mich anfügen, dass eine zwangsweise Unterbringung in einer (dann geschlossenen) Institution in meinen Augen einen stärkeren Eingriff in die Freiheit darstellt als eine (z.B. zweiwöchentliche) kurzzeitige Behandlung. Warum die längerfristige Unterbringung möglich, Kurzzeit Behandlungen aber kategorisch verboten sein sollen, leuchtet mir nicht ein. Da ließe ich mich durch ein hinreichend plausibles Argument aber möglicherweise umstimmen.

  • Es sind nicht “einige” Psychiatrie Erfahrene
    sondern es ist der

    Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V
    http://www.bpe-online.de

    die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener
    http://www.die-bpe.de

    die ENUSP das Europäisches Netzwerk von Psychiatriebetroffenen
    http://www.enusp.org

    die WNUSP (Weltverband von Psychiatriebetroffenen)
    http://www.wnusp.net

    und MFI (MindFreedom International)
    http://www.mindfreedom.org

    und somit alle großen Betroffenverbände

    das Ende der Zwangspsychiatrie und der Zwangsbehandlung fordern und das nicht schon seit gestern:
    Siehe:

    http://www.peter-lehmann-publishing.com/articles/enusp/dd-deutsch.pdf

    http://www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/Presseerkl%C3%A4rung%20BPE%20zu%20BGH%207-2012.pdf

    http://www.bpe-online.de/verband/vorstandsmitteilungen/denkschrift-2011.pdf

    http://m.aerzteblatt.de/print/124871.htm

    http://www.die-bpe.de/gutachterliche_stellungnahme_ba_wue/stellungnahme.pdf

  • Zu Punkt 3

    Es geht um das Recht auf körperliche Unversertheit und um das Recht auf Selbstbestimmung, dahinter hat IHRE private Meinung was SIE ist für SICH als “mindere Maßnahme” ansehen, zurückzustehen.
    Wenn SIE für SICH eine Zwangmedikation in einer bestimmten Situation wünschen, können SIE das für SICH in einer Patientenverfügung festlegen.
    Dagegen hat niemand etwas.
    Aber weder SIE noch sonst Jemand haben das Recht darüber zu bestimmen was für ANDERE richtig ist.

    Peter Lehmann hat das einmal in einem Beitrag sehr gut formuliert:
    Siehe:

    http://www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/recht/pdf/lehmann-bpe-gewalt.pdf

    Dem ist eigentlich nichts hinzufügen und auch nichts wegzunehmen.

    Bevor sie allerdings die o.g. Patientenverfügung, in der Sie sich ein Zwangsbehandlung wünschen ausfüllen empfehle ich Ihnen eine Selbstversuch:

    Sie müssen mit folgenden Wirkungen rechnen.

    Tode durch plötzlichen Herztod.

    einem malignen Neuroleptischen Syndrom, welches nur noch intensivmedizinisch behandelt werden kann

    Zungenschlundkrämpfen, einer Verkrampfung der Zungen-Schlund Muskulatur. Dabei hat man subjektiv das Gefühl zu ersticken.

    Keine dieser Wirkungen sind ausschließbar und durch die Unterschiedlichkeit der Metabolisierung in der Leber auch nicht primär abhängig von der Dosis.

    Weiter müssen sie damit rechnen:

    psychisch-geistiger Abstumpfung und Einengung, die akut auftreten oder sehr langsam erfolgen kann. Wegen der entstehenden Gefühlsleere spricht man auch vom »RoboterSyndrom«

    Depressionen, oft auch mit Selbstmordgefahr

    unbestimmten Angstzuständen

    neurologischen Erkrankungen, z.B. »Parkinson-Syndrom«

    (Einschränkung der Spontanbeweglichkeit, Zittern, kleinschrittiger Gang), sowie unter bedrohlichen Muskelverkrampfungen und Akathisie, der Unmöglichkeit, ruhig zu sitzen

    Spät-Dyskinesien, das heißt stark entstellenden, oft unheilbaren Bewegungsstörungen

    vegetativen Veränderungen, z. B. Herz-Kreislauf-Störungen

    hormonellen Störungen, Dämpfung der sexuellen Lust, Potenzstörungen,

    Gewichtszunahme

    Verringerung der weißen Blutkörperchen

    (Zitiert aus: Zehenbauer Josef, „Körpereigene Drogen – Die ungenutzten Fähigkeiten unseres Gehirns, Patmos 2001 S. 130-132)

    Ich bin sicher dass SIE dann über das mildere Mittel für SICH auch anders Denken.

    Die einzige saubere Lösung wäre:

    Analog wie bei der Organspende, alle Bundesbürger anszuschreiben und aufzuklären, mit der Bitte einen “Zwangsbehandlungspass” auszufüllen und mitzuführen.
    Und nur dann, und nur dann, wenn darin angekreuzt ist
    “Ich möchte psychiatrisch zwangsbehandelt werden”
    Dann kann man denjenigen zwangsbehandeln ansonsten hat man den Menschen in Ruhe zu lassen.

    Johannes Georg Bischoff
    Diplom-Psychologe

  • Sehr geehrter Herr Bischoff,
    ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich Ihren Zorn auf mich gezogen habe. Jedenfalls müssen Sie den Kampf gegen die Psychiatrie, dem sie sich verschrieben zu haben scheinen, nicht gegen mich austragen, sondern gegen den Gesetzgeber, der sich dieses Themas mit einiger Wahrscheinlichkeit bald annehmen wird.
    Ich habe lediglich die wenig hellseherische Fähigkeiten bedürfende Feststellung getroffen, dass die derzeitge Rechtslage bald überabeitet werden dürfte, und dass dabei dann auch das Thema ambulante Zw. Behandlungen erneut thematisiert werden dürfte (“könnte der Gesetzg. zulassen”). Ich habe nicht die Zulässigkeit irgendeiner Zwangsbehandlung gefordert – im Gegenteil, ich stehe diesen Maßnahmen kritisch gegenüber, ohne jedoch eine abschließende Position beziehen zu wollen oder zu können. Ich fordere neben der Beachtung der körperlichen Unversehrtheit sogar die der psychischen Unversehrtheit, d.h. den “krankhaft” erachteten psychischen Symptomen als solchen grundrechtlichen Schutz zuzusprechen. Das dürfte durchaus in ihrem Sinne sein.

    Zu ihrem Punkt 3: Eine mindere Maßnahme ergibt sich aus dem Vergleich zweier Maßnahmen. 1.: Unterbringung + Zwangsbehandlung, 2.: keine Unterbringung + ambulante Zwangsbehandlung etwa durch Depot-Spritzen. Im Vergleich erscheint mir die 2. Variante trotz der mit ihr verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre des Patienten als eine “mildere”.
    Aber darüber ließe sich diskutieren. Nur: Die von ihnen genannten körperlichen Nebenwirkungen, die niemand einer anderen Person wünscht, betreffen diese Frage nicht.

    Bei aller Ablehnung von Gewalt und Gesundheitsrisiken wird man doch einer Tatsache ins Auge schauen müssen: Die Psychiatrie hat vielen Menschen geholfen, ein besseres Leben zu führen – auch durch Zwangsbehandlungen. Man wird schon rechtfertigen müssen, warum man einsichtsunfähigen Patienten, denen man helfen könnte, keine Hilfe zukommen lässt, auch wenn diese der Maßnahme im Nachhinein zustimmen werden und sie in dieser nuneinmal nicht perfekten Welt so ein besseres Leben führen könnten. Diese Begründungslast trägt derjenige, der Zwangsbehandlungen kategorisch ablehnt.

  • 1. Ich habe keinen Zorn, und ich habe mich auch nicht dem Kampf gegen die Psychiatrie verschrieben sondern dem Kampf gegen Zwangspsychiatrie, weil sie
    a. gegen das Recht auf körperliche Unversertheit verstößt, damit befinde ich mich auf der Höhe der geltenden Rechtsprechung
    b. Das Selbstbestimmungsrecht verletzt
    c. Meist zu nicht mehr behandelbaren Traumatisierungen führt

    Ich wollte nur klarstellen wie die großen Betroffenenverbände zu Zwang und Gewalt stehen.

    2. Die ambulante Zwangsbehandlung ist zum Glück schon lange vom Tisch.
    Im übrigen sind Depotspritzen das perfideste was sich die Psychiatrie ausgedacht hat.
    Ich empfehle da immer eine Selbstversuch. Wenn Sie es überleben können wir uns gerne danach unterhalten.

    3. Ihr letzter Satz von wegen das die Zwangspsychiatrie vielen Menschen geholfen hat ein besseres Leben zu führene entbehrt jeder Grundlage.
    Ich kenne Menschen die sich in der Psychiatrie umgebracht haben weil sie die Behandlung nicht mehr ertragen haben,
    meine Partnerin kennt mehrere Menschen die von der Psychiatrie umgebracht wurden (Herzstillstand durch QT-Strecken Verlängerung)
    und ich kenne viele die von der Psychiatrie zum Wrack gemacht wurden.

    Ich kenne keinem dem die Psychiatrie geholfen hat ein besseres Leben zu führen.
    Das liegt wahrscheinlich darin dass ich in einer der großen Betroffenorganisation aktiv bin und selbst Diplom-Psychologe bin.

  • Ach ja und dann war da noch der Vorsitzende des Hartmannbundes

    Siehe:

    http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/50994

  • Sehr geehrter Herr Bublitz,

    Herr Bischoff ist nicht allein, neben den unzähligen Menschen in den Verbänden gibt es BerufskollegInnen von Herrn Bischoff, die haargenau seiner Meinung sind und über sehr ähnliche bis hin identische Erfahrungen bzgl. der menschenfeindlichen Mechanismen des psychiatrischen Systems verfügen:

    In Zeiten der Grundrechte und der UN-Behindertenkonvention ist die sich darbietende psychiatrische „Realität“ eine Groteske. Wann endlich fällt denn diese Mauer in den Köpfen unserer ach so fortschrittlichen Republik?

    Beispiel zur einfachen Anschauung mit Hilfe der reinen Vernunft ohne juristische Begriffsschnörkel-Umwege. Was hielten Sie selbst davon, wenn Ihnen aufgrund von psychiatrischer Zwangsbehandlung, folgendes geschähe:

    Die psychiatrische Zwangsbehandlung endet ja nach der stationär-geschlossenen Unterbringung nicht etwa, nein, die so „behandelten“ Menschen haben durch die Ihnen aufgezwungene sog. „Heilbehandlung“ nur genug Angst „erworben“ (Konditionierung muss ich ja wohl nicht erklären in solch einem Blog), dass sie lieber nicht mehr mal „Piep“ sagen in der sogenannten „Freiheit“ der ihnen hernach aufgenötigten psychiatrischen „Wohn“einrichtung.

    Stellen Sie sich also vor, nach über 3 Jahren in einer Geschlossenen, weit ab von Ihrem ge“wohn“ten Heimatort, da nämlich, wo keiner mehr nach Ihnen fragt, weil man Ihren Aufenthaltsort so lange wie irgend möglich geheim gehalten hat, nach diesen über 3 Jahren haben Anwälte und mit Ihnen solidarische Menschen wenigsten die Rückkehr in Ihren Heimatort durchgesetzt – was eigentlich nicht vorgesehen war, es gibt genügend viele psychiatrische Einrichtungen fernab von den Ballungszentren, das nennt man heutzutage Teil der sog. „Gesundheitswirtschaft“, die wollen auf die staatliche Finanzierung, die sie für Sie einnehmen, nicht unbedingt verzichten, Jahresumsatz 40 Millionen auf’m 6000-Seelen-Dorf, dat is auch wohl kein Pappenstiel? – Sie selbst waren doch ganz brav und ruhig am Ende mit dem Taschengeld für Pommes und Bonbons und Selbstverpflegung, denn selbst für Sie kochen musste man nicht – das war Ihre Aufgabe von den paar Kröten. Ansonsten musste man Sie nicht mehr beachten, sie gehörten zu denen, die nix machen. Man hatte Sie vorher nicht gekannt, als man Sie gegen Ihren Willen und ohne Ihr Wissen, da bis zur Bewusstlosigkeit sediert, herangeschafft hatte, also, wird vermutet, dass Sie nix mehr machen?…Ist ja auch egal. Das ist ja hier eine staatlich aufgezwungene „Heil“behandlung. Das wird hier gemacht.

    Außerdem waren Sie ein braver Arbeiter geworden in der anstaltseigenen Wäscherei, 2 Std. pro Tag für 1 Euro, Überstunden, die schreiben wir nicht auf, das machen wir dann mal „so“ – sollte Sie nicht kümmern, weil andere haben drauf geachtet, dass Sie auf dem Papier nicht zu viel im anstaltseigenen Betrieb arbeiten, dann würden Sie ja eventuell zu gesund erscheinen, ja und nicht zuletzt die staatliche Finanzierung futsch gehen, die rd. 3000 Euro für Sie monatlich, der Sie in Ihrem mit schäbigem Mobiliar schlecht ausgestatteten 5 qm-Wohn-Anteil-2-Bett-Zimmer doch ganz ruhig erschienen waren, klar, am Anfang war da noch kräftige Sedierung nötig, auch genannt „psychiatrischer Winterschlaf“, oder ein Zwischenaufenthalt in der nahe gelegenen Klinik-Psychiatrie, damit eindeutig noch eine Perspektive ins Düstereres das Bild der Ihnen aufgebrummten „Realität“ abrundet. Über E-Schocks reden wir jetzt mal nicht. Zu früher Trumpf macht denselben stumpf. Der plötzliche Tod des Nachbarn zwei Zimmer weiter am Tag seiner Extra-Zwangsspritze, weil der seinen Schnabel zu weit aufgerissen hatte, ja, der hatte alle Insassen aufgewühlt und schließlich war Totenstille im „Heim“. Die Angst veränderte sich. Sie sind täglich auf den Friedhof gleich nebenan gelaufen und haben sich vorgestellt, haben das geübt und geübt mit all Ihrer noch verblieben Vorstellungskraft, dass Ihr toter Nachbar wieder aufersteht, so wie Christus, bis Sie das dann tatsächlich auch glauben konnten, dieses verdammte Großmaul von zwei Türen weiter, warum ist der nicht besser auch lieber stille geblieben, warum hat er das nicht lieber ausgehalten, es hat doch keinen Zweck, die haben einfach die Übermacht, die Psychiater. Was hatte der Pfleger gesagt: Tja, so was KANNNN passiiierend, seeehr bedauerlich!

    Trotz dieses Vorlaufs gelangen Sie dann doch Jahre später in Ihre Heimatstadt – dank des Drucks der sozialen Öffentlichkeit- die man bei Ihnen nicht so stark vermutet hatte, aber gut, Sie hatten sich sogar bis zum BVG hoch geklagt, also, sie mittels Assistenz (s.o.), weil Ihre Kräfte unter der Zwangs“medikation“ sukzessive schrumpfen, Ihr Gedächtnis nicht mehr funktioniert, die immer wiederkehrenden Schmerzen, Übelkeit, Bauch- und andere Krämpfe und Schwindelanfälle sie attackieren, bis sie eigentlich nur noch „Mama“ schreien möchten. Dann besser doch’s Maul halten. Sie erklären – sich klar entscheidend – insgeheim zum Vegetarier. Das Geld reicht eh hinten und vor ne nicht und den „Nutz“tieren, insbesondere Ihren Säugergeschwistern, geht es ja meist mindestens ebenso dreckig, erkennen Sie im Schleichgang Ihrer nur noch mühseligen Gedankengänge.

    Nun das vierte Jahr.

    Da geht es weiter. Wieder, endlich, in der Hometown. Aber: Die Zwangsbehandlung. Nennt man nicht mehr so. 4 x täglich. Unter Aufsicht. 4 x 20 Min täglich. Kontrolle an der Zonengrenze. Aufsicht durch Heimpersonal. Dafür werden die nämlich vertragsgemäß bezahlt. Hat die Betreuerin so angeordnet. Wissen Sie aber nicht. Weil Sie kaum mehr als 3 Sätze lesen können ohne sie zu vergessen. Sie müssen sich alles Wichtige aufschreiben. 1 Stunde später lesen Sie Ihre Zeilen, als hätte Sie ein Fremder geschrieben. Und der erste klinische Psychiater, zu dem Sie von „Professionellen“ der Wohneinrichtung „begleitet“ werden, lacht lauthals und setzt erst einmal Ihre Dosis eines der 4 Psychopharmaka, die man Ihnen aufgebrummt hat, auf Maximalwert , ein weiteres ist sowieso schon überdosiert – klar ist Ihnen, ah, jetzt zeigt der, hier ist er der Chef im Ring. Beim 2. „Besuch“ beginnt der Psycho-Gott-in-Schweiß Ihnen das Benzo, das man Ihnen über 3 Jahre aufgezwungen hatte, zu entziehen, ja, die Entzugserscheinungen werden von Betroffenen schlimmer als Heroinentzug berichtet, erst zwang man Sie in eine Sucht hinein, damit Sie um Ihre Psychopharmaka zu betteln lernen (in Ihrem bürgerlichen Leben haben Sie noch nicht mal Alkohol getrunken, süchtig waren Sie nie) nun zwingt man Sie in einen Entzug, der Schmerzen bereitet und neue peinliche Zustände. Zur Erinnerung: Das wird Heilbehandlung genannt. Und wenn Sie das nicht gut finden, Ihr Heil darin nicht vermögen zu entdecken und auch noch so unvorsichtig sind, das auszusprechen, nennt man Sie „krankheitsuneinsichtig“. Dosiserhöhung vorprogrammiert. Natürlich haben Sie da nichts mitzuentscheiden. Man hat Sie ja für willenlos erklärt. Aber „Einsicht“ sollen Sie angeblich zeigen. Doch Sie haben festgestellt, dass selbst „Einsicht zeigen“ nichts bringt.

    Nebenbei: Dass Sie weder selbst- noch fremdgefährdend sind, darüber ist man sich schon lange psychiatrieseits einig, aber de facto geht es nicht darum, „das diskutieren wir jetzt nicht“. Ach, übrigens: Sie haben keine Straftat begangen! Keine kleinen Kinder bedroht oder ähnliches. Nein – keine Sorge: Sie sind kein Unmensch. Sie waren mal Student an einer großen Universität. Begabter Musiker überdies, verliebt in Schöngeistiges und euphorisch begeisterbar, wenn es um moderne Naturwissenschaften ging.

    Letzte Woche waren Ihre Schmerzen durch eine willkürliche Umstellung bei den Psychopharmaka, die der ‚Chef im Ring‘ sich für Sie ausgedacht hat, damit Sie in dem Monat, den Sie ihn nicht sehen, mal wieder was anderes erleben, die Schmerzen waren so stark, dass Sie doch nach langer Zeit wieder mal versucht haben, Hilfe zu bekommen.

    Erst haben Sie in der Einrichtung gefragt, Sie hätte solche schrecklichen Schmerzen seit der Umstellung. Die Reaktion des Personals: Sie scheinen sich nicht recht wohl zu fühlen bei uns?!

    Nun ja, Sie haben eiligst die Klappe gehalten und sich noch kleiner gemacht als je zuvor, denn sie wollen ja Ihren Wohnplatz nicht verlieren. Dann würde ja erst mal wieder die stationäre Aufnahme drohen, wenn Sie als nicht verträglich eingestuft werden.

    Sie haben, als es unerträglich wurde, dann sogar in der von Ihnen nicht geschätzten Klinikambulanz nachgefragt, ob man Ihnen wegen der grauenhaften Schmerzen weiterhelfen könnte. ‚Dann müssen wir Sie in die psychiatrische Station aufnehmen‘. Das wollten Sie nicht, haben sich rausgewunden, mit: Ach es geht schon besser, weil in die Geschlossene, NEIN – NIE WIEDER!!! Lieber krepieren vor Schmerzen und Krämpfen. Suizid? Wie erwähnt: Sie sind nicht selbstgefährdend. Und: Selbst der höllische Schmerz hat Sie nicht dazu gebracht, sich mal so richtig an anderen auszutoben, anderen Schmerzen zu bereiten.

    Vor Beginn der psychiatrischen Zwangsbehandlung waren Sie ein geistig reger, kreativer Zeitgenosse.

    Jetzt sie sind lediglich ein gedächtnisarmer Unglücksrabe mit stark geschädigten neuronalen Netzen, um ein paar Marotten reicher und zwangsweise und schuldlos beladen mit einer Unmenge an körperlichen Leiden, Qualen, die Sie überfallen ohne, dass Sie wissen können, wann es wieder losgeht. Lebenszeitlang.

    Ach so, und – statistisch gesehen, ist der „Heilprozess“ gar früher beendet, als Ihre „normale“ Lebenszeit eigentlich zu bemessen gewesen wäre. Statistisch gesehen sterben so wie Sie „Heilbehandelte“ 25 bis 32 Jahre früher als die gewohnte Lebenserwartung der Klasse „normaler“ Bürgerlicher selben verspricht. Nichts gegen Bürgerlichkeit im klassischen Klassensinn. Wenn hierin alle Menschen inkludiert sein könnten, so sie es wollten. Das hätte fürwahr Klasse.

    Alles Realität. Ist diese Realität alles? Es ist eine morallose.

    Und die Moral dieser Geschichte?

    Diese Wirklichkeit ist deutsche Gegenwart und zugleich Insignium ihrer historisch wie öffentlich kaum oder gar nicht reflektierten Machtstruktur und –gewohnheiten – deren Ungeist und Einstellungen tradiert sind aus grauenhafter Vorzeit, alltäglich, von der sozialen Öffentlichkeit, wo es nur geht, banalisiert und abgespalten: Merkmal kollektiver Angstabwehr. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

    Das psychiatrische Machtsystem und seine organisatorischen Anhängsel verdienen damit Unmengen Schotter, Kies, Kohle, materiell basierte Energiepotenzen. Wie wär’s mit einem Obmann oder einer Oblady für jeden Straßenzug, so eine Art Menschenflüsterer, die als WeiterleitungsmediatorInnen fungieren – zur zweiwöchentlichen ambulanten Zwangsbehandlung? Die doch gar nicht lange dauert? Könnte man doch schon vorsorglich ab dem Grundschulalter anfangen? Dann ist doch alles paletti? Dann kann doch nichts mehr passieren?

    Stimmt: Irgendwann passiert nichts mehr – weder das Denken und schon gar nicht mehr das Dichten. Ganz fix wird aus ein Bisschen Etwas nix.

    Folter ist verboten – dagegen hat sich die Völkergemeinschaft sogar eine Konvention ausgedacht. Auch ambulante Folter ist verboten.

    Heilbehandlung ist Heilbehandlung. Wer Folter zu Heilbehandlung erklärt, versucht die Menschen zu verwirren, die er selbst vorher zu Verwirrten erklärt hat: Nonsens pur.

    Strafe ist keine Heilung und Heilung ist nie Strafe. Das sind unterschiedliche Begriffe mit gegensätzlichem Sinngehalt. Oder wollen wir demnächst z.B. unsere Kinder auch wieder öffentlich verprügeln? Weil heimlich wieder nicht mehr genügt? Ist „es“ wieder soweit mit uns gelangt?

    Wer um des Machterhalts Willen Maskenzwang auferlegt, der wird auf seiner Veranstaltung die Wölfe nicht mehr von den Schafen unterscheiden können.

    (Ich entschuldige mich im selben Atemzug bei der gesamten großartigen Tierwelt für dieses diskriminierende Bild projektiver Qualität, eine menschliche Schwäche!)

    Nach über 30 Jahren Erfahrung mit dem deutschen psychiatrischen Einrichtungen dies mein spontanes Statement an Sie unbekannterweise.

    Mit freundlichen Grüßen

    Angelika Pasanec

    Diplom-Psychologin

    P.S. Kennen Sie einen Neurologen, der bereit wäre, seriös und nüchtern und tatsächlich wissensbasiert zu dokumentieren, inwieweit wie oben beschrieben geschundene Körper zentral- und auch peripherie-neuronal geschädigt ist nach Zwangsbehandlung durch PsychiaterInnen?

    Ein großes Klientel wartet schon auf ihn/sie.

    Dessen Seelen allerdings darf keiner antasten. Die bleiben tabu. Egal, wie mächtig Mensch seine Mitgeschwister ohnmächtig phantasiert. Es kann und wird nicht gelingen. DAS ist Geist. Unantastbar. Unveränderlich. Real. Die PsychiaterInnen, die diese Wahrheit nicht begreifen wollen, müssen wohl so lange in der Zwangspsychiatrie bleiben, bis sie nur noch sich selbst dort antreffen – so lange sie dort keiner rausholt, weil eine andere Art des Business en vogue geworden ist und die Abrissbirne das angebliche Non-Plus-Ultra Zwangspsychiatrie dem Erdboden angleicht.

  • Zitat Admin:
    /”Jedenfalls müssen Sie den Kampf gegen die Psychiatrie…nicht gegen mich austragen, sondern gegen den Gesetzgeber, der sich dieses Themas mit einiger Wahrscheinlichkeit bald annehmen wird.”/

    Schön, dass sich der Admin da so gründlich getäuscht haben, denn die Bundesjustizministerin, die federführend in der Bundesregierung dafür zuständig ist, hat schon Entwarnung gegeben, siehe z.B.: http://www.fuldainfo.de/index.php?type=special&area=1&p=articles&id=22286

    “Eine gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung psychisch Kranker ist nicht absehbar. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte dem Nachrichtenmagazin “Focus”, dies sei “ein ganz sensibles Thema”. Die Konsequenzen aus der “Kehrtwendung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs” (BGH) würden derzeit “eingehend im Bundesjustizministerium geprüft. Dazu gehört, die Sicht aller Beteiligten einzubeziehen und abzuwägen, und dazu gehört, sehr sorgfältig über eine Rechtsgrundlage nachzudenken, die dann aber hohen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen müsste.”

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