Neurowissenschaften, Ethik & Recht

Die Psyche im Recht, Tagung 8.-10. Oktober HH

Im Oktober veranstalte ich eine Tagung zum Thema:

Die Psyche im Recht: Die Verrechtlichung des menschlichen Geistes: Normative Grundlagen, neurowissenschaftliche Erkenntnisse, rechtspolitische Herausforderungen

Die Teilnahme steht allen interessierten Wissenschaftlern offen. Das Programm gibt es hier: www.recht-psyche.de

Über Verbreitung an interessierte Rechtswissenschaftler würde ich mich sehr freuen!

 

 

 

Vincent: Neuroscience & Legal Responsibility, OUP 2013

Frisch erschienen: Nicole Vincent (Ed.): Neuroscience & Legal Responsibility, OUP 2013.

Mit einem (hoffentlich) lesenswerten Kapitel 14… Die Einleitung des Bandes kann man hier lesen.

Neuroscience and Legal Responsibility

Nebenwirkungen von tdcs

Die transkranielle elektrische Stimulation des Gehirns gilt derzeit als die vielversprechendste (technische) Methode zur kognitiven Leistungssteigerung, v.a. auch wegen ihrer bisher als gering eingeschätzten Nebenwirkungen. Dass dies nicht ganz richtig ist, zeigt ein neues Paper von Kadosh et al.

Ach, und wir schon dabei sind, sei ein wenig self-promotion betrieben und auf dieses Paper hingewiesen, in dem verschiedene nicht pharmazeutische Methoden des Enhancements verglichen werden: Non-pharmacological cognitive enhancement. Neuropharmacology 2013

20.4 Future NE: Morality, Memory & Love

Am 20. April richtet unsere Arbeitsgruppe einen kleinen Workshop zur Zukunft des Neuroenhancements in Münster aus, “Future of Neuroenhancement: Morality, Memory & Love”.

Sprechen werden Julian Savulescu, Walter Glannon und Anders Sandberg. Um rasche Anmeldung wird gebeten (Teilnahme ist kostenlos).

Näheres in der Einladung.

Gibt es doch ein Enhancementproblem an D Unis?

Möglicherweise ist der Gebrauch von Substanzen zu Enhancementzwecken stärker verbreitet als angenommen. Eine Studie von Klaus Lieb und Kollegen an der Universität Mainz kommt zu dem Ergebnis, dass 20% der dortigen Studierenden im letzten Jahr Enhancement Substanzen zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit eingenommen haben (inkl. Koffeintabletten). Diese Zahl ist deutlich höher, als vorherige Studien (an der selben Universität) haben erwarten lassen. Als Grund für die Diskrepanz zwischen den Studien vermuten die Autoren eine andere Fragetechnik, welche die Anonymität der Antworten zu einem hohen Maß sicherstellt. Die Studie ist hier frei verfügbar. Gründe für den erhöhten Gebrauch dürften in der in den letzten Jahren auch durch die mediale Berichterstattung gestiegenen Bekanntheit des Themas sowie in der leichteren Verfügbarkeit von Substanzen wie Methylphenidat, die ja mittlerweile auch an Erwachsense verschrieben werden, zu finden sein.

Die WDR Reihe “Quarks & Co” hat eine Sendung über Enhancement “Unser täglich Doping” produziert, die online anzuschauen ist (hier).

 

DLF: Die reine Moral

Ein gut recherchiertes Radiofeature zu Moral Enhancement beim Deutschlandfunk  (Die reine Moral: Mitgefühl aus dem Labor).

 

 

BT beschließt Änderung § 1906

und hat damit die vom BVerfG geforderte Rechtsgrundlage für Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht geschaffen. Gesetzesentwurf hier.

Brain Matters 3 Vorträge online

Vorträge der Konferenz online

Organlistenmanipulation = versuchter Totschlag?

Nachdem in den letzten Tagen viel über die (vermeintlichen) Stafbarkeitslücken bei der Manipulation der Organempfängerlisten diskutiert wurde und die Einführung neuer Straftatbestände erwogen wird, (SZ vom 13.1. / TAZ 10.1) versucht es die StA Braunschweig (wie schon die StA Göttingen letztes Jahr) nun mit dem Vorwurf der Tötung, und zwar einer versuchten Tötung. Damit umgeht man schwierige Fragen, ob ein eigentlich vorrangig zu behandelnder Patient durch die Manipulation der Liste vorzeitig verstorben ist. Stattdessen würde es ausreichen, wenn die StA hinreichend belegen kann, dass der Arzt bei Abgabe der falschen Daten billigend in Kauf nahm, d.h. ernsthaft damit rechnen musste,  dass vor-rangig platzierte Patienten mangels Transplantation vorzeitig versterben werden. Eine interessante, aber durchweg plausible Einschätzung der StA (die natürlich von vielen unbekannten tatsächlichen Fragen abhängt). Sie bringt sogar die TAZ hier dazu, über die Voraussetzungen der Versuchsstrafbarkeit zu philosophieren (ob es allerdings notwendig ist, dass der Täter sein Opfer – hier ein anonymer Patient auf der Warteliste – identifizieren kann, ist zweifelhaft. Es reicht das Wissen, dass es sich um einen Menschen handelt). Die andere rechtsdogmatisch interessante Frage ist, ob der Arzt sein Handeln damit rechtfertigen kann, mit der Tötung des Einen die Rettung eines Anderen bewirkt zu haben. Selbst wenn dies der Fall wäre, erscheint diese Rechtfertigung hier fraglich. Normalerweise kann das Recht keinen Vorwurf erheben, wenn von zwei gefährdeten Personen nur eine gerettet werden kann. Hier aber gibt es eine festgelegte Rettungsreihenfolge. Dennoch scheint es eine andere Form des Unrechts darzustellen, eine Rettungsreihenfolge zu missachten (bzw. zu manipulieren), als jemanden zu töten (bzw. dieses zu versuchen). Diese Frage wird noch für einige strafrechtliche Diskussionen sorgen.

Mind-Reader: Kommunikation im vegetative state

Vor ein paar Tagen sah ich die BBC Dokumentation: Mind Reader – Unlocking my Voice über Adrian Owens Versuche, mit Patienten im “vegetative state” per fMRI zu kommunizieren. Die Idee ist einfach und die Ergebnisse beeindruckend. Owen versucht die Personen dazuzubringen, verschiedene, deutlich abgrenzbare neuronale Aktivitätsmuster zu erzeugen, etwa, indem sie an Körperbewegungen wie Tennisspielen denken oder eine räumliche Orientierungsleistung vollbringen sollen. Wenn das erfolgreich ist, stellen sich die Patienten im fMRI also vor, Tennis zu spielen, was dann eine Aktivierung im Motorcortex zur Folge hat. Wenn dies gelingt, kann man diese Vorstellungen zu Antworten machen: Tennisspielen heißt “ja”, durch die Wohnung laufen “nein”. Anschließend kann Owen Fragen stellen, etwa, ob der Patient Schmerzen habe.

Bild von der Webseite Owens

Leider gelingt dies nur in rund 20% der Fälle. Die anderen Patienten bleiben “unresponsive”, was daran liegen könnte, dass sie kein Bewusstsein mehr haben. Der schwierige Umgang mit diesen Patienten und die quälenden Fragen, die sich für Angehörigen stellen, zeigt der Film ebenso. Und natürlich wirft diese Methode philosophische & ethische Fragen auf: Was heißt es eigentlich, wenn Patienten in dieser From reagieren können – sind sie dann bei Bewusstsein (so Owen). Das muss es natürlich nicht zwingend heißen, aber immerhin scheinen sie Sprache verstehen und aktiv, willentlich geistige Vorstellungen hervorrufen zu können. Und was heißt es, wenn man dies nicht kann? Irgendwann steht natürlich die große Frage im Raum, von der jetzt noch niemand sprechen möchte: Ließe sich in der Zukunf auf diese Weise über Leben und Tod entscheiden? Was wäre die ethisch richtige Antwort, wenn eine locked-in Person sagen würden, dass sie in diesem Zustand nicht weiter leben möchte?

Der Film ist sehenswert. Leider kann er aus D nicht über die BBC Seite gestreamt werden. Hier ein Artikel in Nature über Owens Arbeit.