Neurowissenschaften, Ethik & Recht

Neuerscheinung: Gehört mein Körper noch mir? S. Beck (Hrsg.)

An dieser Stelle sei auf den soeben bei Nomos erschienenen, von Susanne Beck herausgegeben Band Gehört mein Körper noch mir? Strafgesetzgebung zur Verfügungsbefugnis über den eigenen Körper in den Lebenswissenschaften hingewiesen, zu dem ich ein Kapitel über rechtsdogmatische Probleme paternalistischer Grundrechtseingriffe beigetragen habe.

M.E. sind die gängigen Rechtfertigungen für Eingriffe in Körper und Geist allesamt unzureichend. Insbesondere die gern herangezogene Schutzpflichtendimension der Grundrechte kann keine Eingriffe in diese bei ihrem Träger legitimieren, dies verdreht den Sinn von Grundrechten als Abwehrrechte und erschafft aus ihnen Eingriffsbefugnisse – Grundrechte wenden sich dann gegen die durch sie geschützte Person. Das BVerfG folgt dieser Strategie etwa bei der Rechtfertigung von Zwangsbehandlungen, ihm zufolge können sich Grundrechte derselben Person wechselseitig beschränken (die Freiheit der Person wird gegen ihre Unversehrtheit abgewogen). Das ist eine rechtsdogmatisch fragliche und fragile These. In der Verfassungsrechtsliteratur ist auf das Problem immer wieder von prominenten Autoren wie von Münch, Isensee oder Hillgruber hingewiesen worden, doch so eine rechte Diskussion über Legitimationsgrundlagen paternalistischer Eingriffe ist nie so richtig in Gang gekommen, vermutlich aus der Einsicht in ihre (vermeintliche) faktische Notwendigkeit. Im Vergleich zur ausgereiften Paternalismusdiskussion in der Ethik besteht hier immer noch rechtswissenschaftlicher Klärungsbedarf.

Der Band versammelt viele lesenswerte Artikel, ganz persönlich hat mich v.a. die Infragestellung des Verbotes finanziell kompensierter (“kommerzieller”) Organtransplantationen überrascht, die mehrere Autoren aufwerfen. Ganz so einfach wie es die anti-marktwirtschaftlichen Intuitionen erscheinen lassen, ist das Thema bei näherer Hinsicht nicht. Denn, immerhin ist das ein großes Geschäft für viele Beteiligte (Ärzte, Krankenhäuser, etc.). Nur einer bekommt überhaupt nichts – derjenige, der sein Organ spendet. Ist das ein Gebot der Menschenwürde?

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