Neurowissenschaften, Ethik & Recht

Pharmafor(fäl)schung…

Die Pharmaindustrie hat nicht den besten Ruf. Einer der Gründe dafür ist sicherlich die Informationspolitik über Medikamente und ihre Nebenwirkungen. Schon seit langem kritisiert wird der sog. “Publication-Bias”. Studien, die aus Sicht des sie finanzierenden Arzneimittelherstellers negative Ergebnisse beinhalten, werden verspätet oder überhaupt nicht publiziert. So manche unliebsame Studie soll unter Verschluss geblieben worden sein (einige kamen dann in Gerichtsverfahren doch ans Licht ). Wissen ist Macht. Man möge nur an Haftungsprozesse denken, in denen der Kläger die Kausalität eines Medikamtes für eine Gesundheitsverschlechterung belegen muss (Spiegel Artikel). Der BGH (Beschluss vom 1.7.2008 - VI ZR 287/07) und ihm nun folgend das Berliner Kammergericht haben die Position der Kläger vor kurzem gestärkt: an die eine gesetzliche Kausalitäts -Vermutung auslösende Darlegungslast gem. § 84 Abs. 2 AMG dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

Der Anlaß für diesen Post ist aber ein ganz anderer:

Im Frühjahr dieses Jahres kam heraus, dass der renommierte Elsevier Verlag mit dem Australasian Journal of Bone and Joint Medicine ein ganzes Fachblatt verlegte, welches von einer Pharmafirma bezahlt wurde (die sich so darstellt: a “global research-driven pharmaceutical company dedicated to putting patients first). Von außen anscheinend peer-reviewed, innen ein Werbeblatt: “AJBJM was paid for by Merck but lacked any disclosure of Merck’s financial involvement in the project. The vast majority of articles it contained presented data favorable to Merck’s drugs Fosamax and Vioxx.” Naja, man hatte wohl einfach vergessen, ein Werbeblatt als solches zu kennzeichnen und das schon vorhandene Layout & Design benutzt. Kann passieren. Aus einem Journal wurden sechs, und mittlerweile sind es neun (und es sieht so aus, als seien 13 weitere geplant gewesen). Es herrscht tiefe Betroffenheit und ansonsten Schweigen. Und aktuell das:

Die New York Times und PLoS Medicine, die größte medizinische open access Datenbank, haben jetzt 1500 Dokumente aus einem Gerichtsverfahren veröffentlicht, die einen Einblick in das wissenschaftliches Ghostwriting erlauben. Beim Ghostwriting werden Veröffentlichungen durch (von Pharmafirmen) bezahlte Schreiberlingen (vor-)verfasst,  der Name von Wissenschaftlers draufgesetzt und als deren Forschungsarbeit bei Fachmagazinen eingericht. Es liegt nahe, dass die Ghostwriter nicht immer nur stilistische Hilfe, sondern auch inhaltliche Anregungen geben. Das September Editorial von PLoS Medicine beginnt so:

If you are an editor, author, reviewer, or reader of medical journals, or if you depend on your doctor or health care provider getting unbiased information from medical journals, then the 1,500 documents now hosted  on the PLoS Medicine Web site should make you very concerned and angry. Because, quite simply, the story told in these documents amounts to one of the most compelling expositions ever seen of the systematic manipulation and abuse of scholarly publishing by the pharmaceutical industry and its commercial partners in their attempt to influence the health care decisions of physicians and the general public.

Aus dem Werbe- und Marketingplan eines Antidepressivums:

Bylined Articles. Bylined articles will allow us to fold Lexapro messages into articles on depression, anxiety and co-morbidity developed by (or ghostwritten for) thought leaders. We will identify a Lexapro thoughtleader to place 2-3 bylined articles in trade journals, consumer publications and on the Internet. … Budget: $100,000 [Quelle] + NYT Bericht.

Tja… ohne Ghostwriter fällt mir dazu nichts mehr zu schreiben ein..

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